Unser Gehirn ist ein grosser Computer mit einer enormen Rechenleistung. Das führt dazu, dass wir manchmal glauben, uns auf die gleiche Weise programmieren zu können. Einen Computer füttert man mit einem Programm und er führt es zuverlässig aus und wir versuchen, es ihm nachzutun. Dabei vergessen wir, dass uns nicht allein unser Gehirn steuert. Die Kombination aus Logik, Denkprogrammen, Körperwahrnehmung, Gefühlen, Stimmungen, Wertvorstellungen, Moral und Erfahrungen schafft in uns ein Phänomen, das wir als gesunden Menschenverstand bezeichnen. Eine Fülle an Fakten und Subjektivität, die zusammen unser Verhalten prägen. Doch wohin ich schaue, überall zwinkert mir dieses Wenn-Dann-Phänomen entgegen. Schwaz – weiss. Gut – böse. Vereinfachungen, die bei genauerer Betrachtung keine sind.

„Wenn ich zufrieden sein will, muss ich positiv denken.“ „Wenn ich gesund sein will, muss ich auf Zucker verzichten.“ „Wenn ich Geld sparen will, muss ich Aktionen kaufen.“ Ha, erwischt. Jeder mit eigener Einkauferfahrung weiss, dass Aktionen uns dazu verleiten mehr auszugeben, als wir wollten.

Leider – oder auch nicht – sind aber auch die anderen beiden Beispiele genau solche trügerischen Programmierungen. Oder hast du schon jemanden getroffen, der wirklich glücklicher wurde, nachdem er angefangen hat positiv zu denken. Meiner Erfahrung nach werden die Menschen im Gegenteil oft unglücklicher, wenn sie sich die Programmierung „Positiv Denken“ einverleiben. Der Druck steigt, Authentizität geht verloren und es ist unglaublich anstrengend, immer alles positiv zu sehen. Und die Wahrheit ist sowieso die, dass der Alltag ist auch für die glücklichsten Menschen nicht nur positiv ist. Glück entsteht viel eher in der Akzeptanz, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Die Freiheit beide – oder auch noch mehr – Perspektiven zu erkennen und zwischen den Blickwinkeln bewusst wählen zu können, macht wahres Glück aus. Denn auch mal einen Tag im Pyjama auf dem Sofa zu verbringen und die schwere Seite des Lebens zu zelebrieren, kann glücklich machen. Oder mindestens nicht unglücklich, wenn man sich bewusst dafür entscheidet – und auch weiss, wann es Zeit ist, wieder aufzustehen.

Bei der gesunden Ernährung finden wir genau so viele Wenn-Dann-Botschaften. Dabei wissen wir im Grunde, dass die Dosis das Gift macht. Zum Beispiel Zucker. Dass es gesund macht keinen Zucker zu essen, entspringt der Einsicht, dass zu viel Zucker definitiv krank macht. Wenn wir nicht alle chronisch viel zu viel Zucker essen und trinken würden, müsste kaum jemand auf ihn verzichten. Hast du schon mal ganz auf Zucker verzichtet? Wenn nicht, lassen dir gesagt sein: Essen wird zu einer Challenge und Einladungen zu einer Tortur. Der Stress, der dabei entstehen kann, ist mindestens so schädlich, wie gelegentlich ein Stück Kuchen.

Genau: Auf das richtige Mass kommt es an. Und das ist von Mensch zu Mensch, von Stunde zu Stunde und in jeder Situation anders. Um das richtige Mass zu finden, braucht es keine Wenn-Dann-Programmierungen, sondern ein Gefühl für sich, Klarheit über die Umstände und ein bisschen Disziplin im richtigen Moment. Vereinfacht gesagt: gesunden Menschenverstand.

Wer darüber verfügt und wer nicht, kann umstritten sein. Fakt ist, dass (fast) alle Menschen von sich behaupten, einen gesunden Menschenverstand zu besitzen. Im Alltag bleibt er dann nicht selten auf der Strecke liegen, weil wir über unsere fehlende Disziplin, ein unterdrücktes Bauchgefühl oder einen guten Werbeslogan stolpern.

Statt deine Zeit mit dem Versuch zu füllen, dir Wenn-Dann-Programmierungen einzutrichtern, erinnere dich öfter daran, dass du weder ein Computer noch eine andere Maschine bist. Nutze deinen gesunden Menschenverstand – deine ganz persönliche Kombination aus Logik, Denkprogrammen, Körperwahrnehmung, Gefühlen, Stimmungen, Wertvorstellungen, Moral und Erfahrungen. Lache, weine und geniesse, wenn es stimmig ist und achte darauf, deinem Bauchgefühl und deiner Disziplin im richtigen Moment mehr Mitbestimmung zu gewähren.

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